Wirtschaft im Dienst der Menschen….

Vorab ein Hinweis in eigener Sache! – Dieser Text ist keine Kurznachricht, es geht hier nicht um einen Extrakt oder um eine lesefreundliche thematische Zusammenfassung. Vielmehr geht es um ein Gedankenkonstrukt ohne Anspruch auf Vollkommenheit. Der Text ist m.E. für Menschen, die sich Zeit nehmen wollen, die bereit sind sich auf eine textliche Auseinandersetzung einzulassen, denen es vielleicht Spaß macht eigene Beiträge hierzu zu formulieren oder einfach nur meinem Gedankenfluss zu folgen.

Seit mehr als 40 Jahren nehme ich mehr oder minder aktiv an der Gestaltung der „Wirtschaft“ in unserem Land teil. Ich gründete Unternehmen, leitete diese überwiegend erfolgreich und führte Menschen. In all diesen Jahren haben sich meine Wertvorstellungen und damit meine persönliche Entwicklung verändert. Waren es zu Beginn meiner Arbeit über lange Zeit die Rationalität der (Kenn)Zahlen, Kontrolle und Überwachung der Leistenden, die Wirkung absoluter Zahlen, so hat sich mit der Zeit meine Perspektive, meine Aufmerksamkeit immer mehr auf die Protagonisten in diesem Wirtschaftssystem, auf die Menschen und deren Potentialentwicklung hin verschoben. Ich bin über diese Reise, über diesen Weg zu meinem Erkenntnisgewinn gelangt: Es geht immer um die Menschen, wirtschaften ist kein Selbstzweck, es ist vielmehr eine Funktion im Dienst der Menschen.

Gerade die aktuellen Entwicklungen in der Arbeitswelt vor dem Hintergrund der weltweiten Pandemie – gerade auch in unserem Land – haben mich veranlasst meine Gedanken zur Diskussion zu stellen. Es geht mir darum den Paradigmenwechsel zu beobachten, kritisch zu kommentieren und gedankliche Impulse für Lösungsansätze zu diskutieren.

Ich möchte in lockerer Folge mit meinen Beiträgen einen philosophischen Bogen zu den Gedanken und Themen Wirtschaften, Arbeiten und Dienen schlagen. Mir geht es dabei um die Anregung eines Diskurses, um die Vielfalt der Perspektive.

Dabei beginne ich bei meinen Überlegungen aus meiner Sicht am Anfang, am Ursprung der Entwicklung und möchte damit die Grundlage für mein weiteres gedankliches Fundament schaffen. In diesem Sinne danke ich dem geneigten Leser für seine Aufmerksamkeit und für seine Geduld.

1. Wirtschaften als Haushalten, Arbeiten und Dienen

Leben ist Wirtschaften. Gleich in welcher historischen Zeit. Lebewesen brauchen Lebensorte, Lebensmittel und Kommunikation mit anderen Wesen. Da sie von dem leben, was sie an Lebensmitteln einverleiben und dem, was sie davon ausscheiden, sind Lebewesen Einheiten des Wirtschaftens. Diese dynamische Balance ist eine besondere Form des Haushaltens – des Verhältnisses von Ein- und Ausfuhr. Wir nennen Wirtschaft auch Ökonomie, denn das griechische Wort oikos bedeutet Haus und Weltall. Wirtschaften ist diese besondere Weise, das Haus in Balance zu halten. Welcher Art das Haus auch sei – ob ein Bakterium, ein Mensch, eine Kommune oder das Weltall, immer handelt es sich um Einheiten mit dem Vermögen, sogar der Notwendigkeit, etwas aufzunehmen und etwas abzugeben.

Um Lebensmittel zum Erhalt des Hauses zu erhalten, sind Wissen und geübte Handlungen erforderlich. Das Resultat von Ausbildung und Lernen. Die Anwendung des Wissens und Könnens in der Lebensmittelbeschaffung nennen wir beim Menschen Arbeit. Sie hat je nach historischer Epoche unterschiedliche Formen ausgebildet. Leben und Arbeit finden immer gemeinschaftlich statt, ob es um das steinzeitliche Sammeln oder das Arbeiten in modernen Unternehmen geht. Und immer ist Arbeit wesentlich auch Kommunikation. Die Mädchen der australischen Aborigines kennen bereits mit sechs Jahren alle in der Region vorhandenen Pflanzen und ihre Wirkungen. Diese Kenntnisse sind das Resultat von Kommunikation und Bildung. Sie sind ein Dienst der Gemeinschaft. Ein Dienst, der zurückgegeben wird in Form der Mitarbeit am Erhalt der Gemeinschaft durch das Auffinden nahrhafter Speisen durch die Mädchen, die in die Gesellschaft hineinwachsen.

Hier soll ein Diskurs über Kommunikation, Arbeit und Dienen angeregt werden, der in der Frage gründet, was die Grundlagen eines guten Unternehmens sind. Von welchen Ideen, Visionen und Werten wird es getragen. Denn wenn das Wirtschaften eine so grundlegende Sache des Menschen und seiner Gemeinschaft ist, sind Überlegungen zum guten Unternehmen ein die Existenz beeinflussendes Denken und Handeln. Was macht ein gutes Unternehmen oder ein gut geführtes Haus aus? Was charakterisiert sie, was sind ihre erforderlichen Elemente und wie sind sie einzurichten?

Immer mehr Menschen, Unternehmen und Gesellschaften fordern nach neuen Idealen und Strukturen – im Anblick von Umweltzerstörung, Gewalt, Armut und Klimawandel. Das Ideal wäre ein traditionelles Bild – der Ehrbare Kaufmann. Derjenige, dem es darum geht, im Tausch etwas zu geben, was jemand braucht und dafür einen Gegenwert zu erhalten, der es ihm ermöglicht, davon zu leben und in neue Handelsgüter zu investieren. Diese Balance bildet Grundlagen und Grundbedürfnisse des Menschseins. Erhalt des Lebens und das Bedürfnis nach Kultur und Kommunikation. Die Basis seines Denkens, Fühlens und Handelns ist das Dienen. Es setzt Fürsorge, Mitgefühl und Liebe für sich und andere Menschen voraus. Und es setzt umgekehrt voraus das Vertrauen in andere. Der ehrbare Kaufmann anerkennt den kategorischen Imperativ und setzt auf Loyalität und Gewaltfreiheit. Wirtschaften ist also kein Selbstzweck, sondern ein Zweck für alle. Er kann als Grundeinheit einer reifen und gut funktionierenden Gemeinschaft angesehen werden, als Leitbild für das optimal handelnde Wirtschaftssubjekt, wie es seit dem Mittelalter bekannt ist. Noch heute möchte die Industrie- und Handelskammern Anstand und Sitte – wie die des ehrbaren Kaufmanns – bewahren. Damit formulieren sie den Vorbildcharakter des Kaufmanns für den verantwortlichen Teilnehmer am Wirtschaftsleben.

Der ehrbare Kaufmann benötigt neben dem fachlichen theoretischen und praktischen Wissen auch einen festen Charakter, der sich an der Moral von Redlichkeit, Mäßigung und Genügsamkeit, von Fleiß, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit, von Demut und Dienstbarkeit orientiert.

Unternehmen sind eine größere gemeinschaftliche Grundeinheit. Wirtschaftseinheiten mit einem eigenen Ort und vielfältigen Verbindungen mit anderen Gliedern der Gemeinschaft. Direkt oder indirekt über Märkte verbunden. Insofern ist Wirtschaften in seiner Bestimmung nichts Mystisches oder Unüberschaubares. Auch für sie gilt das Prinzip Ehrbarer Kaufmann. Als Wirtschaftseinheit erfüllen sie in der Gesellschaft eine Fülle von Aufgaben: Sie stellen Güter, Ideen und Formen her, geben Menschen Arbeit und Lohn und entwickeln die Gesellschaft. Daher sind sie auf vielfältige Weise Diener. In dieser Zwischenstellung dienen sie sowohl dem einzelnen als auch der Gesellschaft. Im Dienen besteht ihr gesellschaftspolitischer Auftrag, von dem Mitarbeiter und Gemeinschaft profitieren, sowie die Unternehmen selbst.

Stellen sie der Gemeinschaft die zum Leben erforderlichen Mittel umsichtig, zufriedenstellend und nachhaltig zur Verfügung, ist das ein Ausdruck ihrer Bereitschaft, sich für die Gesellschaft verantwortlich zu fühlen. Nachhaltig bedeutet, die Verantwortung für die Folgen unternehmerischen Handelns zu übernehmen. Dazu gehören die ökologische, umweltverträgliche und soziale Verantwortung im Kerngeschäft des Unternehmens. Heute sind Arbeitsbedingungen, Umwelt- und Verbraucherschutz, integrierte Produktpolitik, sozial-ökologische Standards in Zuliefererketten sowie die Wechselbeziehungen mit Stakeholdern Bestandteil dieser Verantwortung.

1.1 Wirtschaften als Haushalten

Wirtschaften ist Ökonomie – Haushalten. Eine Angelegenheit des Hauses oder das Wesen der Häuslichkeit. Es können ganz unterschiedliche Einheiten sein wie eine Pflanze, ein Tier oder ein Mensch, wie eine Gemeinschaft, ein Unternehmen oder eine Nation.

Als Haushalten ist Wirtschaften Ökonomie im engeren Sinn. Ökonomie besteht in Einrichtungen und Handlungen zur Produktion von Gütern zur Befriedigung der Bedürfnisse einer Gemeinschaft. Für jede ökonomische Einheit gilt das Gesetz der Häuslichkeit: der dynamische Wechsel von Einfuhr und Ausfuhr. Jedes Wirtschaften zielt darauf ab, Einnahmen und Ausgaben des Hauses so gut es geht in Balance zu halten – das Grundprinzip des Hauses.

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Wirtschaftens. Eine Geschichte des Hauses und seiner wechselnden Formen. Im engeren Sinne beginnt das Wirtschaften mit der Sesshaftwerdung des Menschen, einer besonderen Form des Wirtschaftens. Jäger und Sammler halten an, um an einem Ort zu bleiben und erfinden das Haus. Der Sinn des Hauses liegt darin, dass Menschen die Lebensmittelproduktion nicht mehr der Natur überlassen, sondern selbst vornehmen. Bis dahin ernähren sie sich von dem, was die Natur bietet: Früchte, Nüsse, Pflanzen und kleine Tiere. Nun erfinden sie zur Herstellung der Nahrung den Ackerbau und das Halten und Züchten von Tieren.

Es scheint um die Ortsgebundenheit der Sesshaften und um das Haus zu gehen, doch tatsächlich handelt es sich um eine neue Produktionsform. Sie ist es, die alles ändert: die soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gemeinschaft. Und sie trennt fortan die Sesshaften von den Jägern und Sammlern, die sich für lange Zeit feindlich gegenüberstehen. Es ist die Wirtschaftsform, die sie trennt, und die zugleich neue Formen des Zusammenlebens sowie des Denkens, Fühlens und Handelns hervorbringt.

Die Sesshaftwerdung, vor etwa zwölftausend Jahren in Mesopotamien begonnen, setzt logischerweise neben der Lebensmittelherstellung eine rege Produktion von Werkzeugen und Gebrauchsgütern ein und führt durch die gesteigerte Produktivkraft zu einer enormen Ausweitung der Produktion, und in der Folge zu einem Bevölkerungswachstum. Der Mensch entwickelt neue Methoden und Techniken und erwirbt Kenntnisse über Pflanzen, Tiere und Menschen. Es ist die Zeit eines gewaltigen Kulturaufschwungs. Es ist das Abendland, dass diese Impulse am effektivsten aufnimmt, umsetzt und zur entscheidenden Grundlage seiner Kultur macht.

Mit der Differenzierung der Werkzeuge, der Gebrauchsgüter und der Bedürfnisse entstehen nach und nach all die Tätigkeiten und Berufe, die unsere moderne Gesellschaft charakterisieren. Doch auf dem Weg dorthin hat es durch Erfindungen und neue Produktionsmethoden immer wieder gesellschaftliche Umbrüche und Krisen gegeben, die den Fortgang hemmten. Solche Erneuerungen haben immer wieder zu Reformen und Revolutionen geführt, die die Menschen in feindliche Lager trieben. Erst in der Überwindung ihrer Differenzen konnten sich neue Arbeitsformen etablieren, begleitet von neuen Denk- und Lebensformen.

Doch Krisen drücken nicht nur solche Entwicklungsschwellen aus, sondern können auch Ausdruck eines fehlerhaften Wirtschaftens sein.

Schon bald haben sich die Berufsstände der Handwerker und Händler ausgebildet, die sich von den Landbewohnern absetzen und die antike Stadt gründen, mit denen die Opposition von Stadt und Land entsteht. Auch hier sind es die unterschiedlichen Wirtschaftsformen, die neue Produktionsstätten erfordern: die Stadt und der Handwerksbetrieb mit seinen Spezialwerkzeugen und der Handel mit seinen Transportmethoden. Das Bearbeiten des Erdbodens mit Hacke und Pflug steht dem Arbeiten etwa an der Herdstelle oder einer anderen künstlichen Auflage entgegen. So hat sich über eine lange Entwicklung das Leben von Jägern und Sammlern über die ersten sesshaften Bauern zu den Handwerkern und Händlern entwickelt, später zu den Manufaktur- und Fabrikarbeitern, die nun von Versicherungen, Banken, Kontoren und Büros begleitet werden müssen, um Investitionen tätigen und die Masse der Güter verwalten und bilanzieren zu können, und um die Risiken des Handels zu reduzieren. Bis hin zur Industrie und Informationstechnologie, die völlig neue Berufe hervorbringen und einen ungeheuren materiellen Reichtum produzieren.

1.2 Wirtschaften als Arbeiten

Wirtschaften ist Arbeiten. Eine Notwendigkeit für den Menschen. Er braucht Lebensmittel. Alles andere wie Kleidung, Pfeil und Bogen, ein Dach über dem Kopf oder ein Mobiltelefon ist eine Frage der Moral – also der Gewohnheit und des Brauchtums. Keine Notwendigkeit, sondern Luxus oder Nützlichkeit. Diese Minimalforderung hat allen Kulturen für Millionen von Jahren genügt. Doch da die Bedürfnisse des Menschen variabel und unendlich sind, entwickeln sie sich über die Lebensmittelbeschaffung hinaus und erfordern besondere Formen des Arbeitens.

Wirtschaften und Ernähren hat von Anbeginn an mit Erkenntnis zu tun. Bereits die kleinsten lebenden Einheiten wie Einzeller, Amöben und Pantoffeltierchen, haben die Fähigkeit zur Erkenntnis und können Unterscheidungen treffen. Dass eine Amöbe eine andere Amöbe verfolgt, um sie sich einzuverleiben, setzt voraus, dass sie sich selbst und die verfolgte Amöbe erkennt und beide zu unterscheiden weiß. Das gilt ebenso für die fliehende Amöbe, die nur aufgrund ihrer Erkenntnis flieht. Ein überraschendes Vermögen für einzellige Lebewesen: ein Stück Identität zu besitzen. Deutlich wird, dass Leben, Ernähren und Wirtschaften eine Einheit bilden. Und für jedes Lebewesen gilt, dass sich Ernähren, Verdauen und Ausscheiden in einer dynamischen Balance befinden müssen. Daher bilden sie so etwas wie ein geordnetes Haus mit Ein- und Ausfuhr, und machen Haus und Haushalten zu Worten für Wirtschaft und Ökonomie. Daher sind alle Begriffe, die mit Wirtschaft und Ökonomie, mit Organisation, Ökologie und Unternehmen zu tun haben, zentrale Begriffe von Leben und Lebendigkeit. Wenn wir auch bei Einzellern nicht von Arbeit sprechen.

Die Selbstproduktion von Lebensmitteln ist eine hohe Kulturleistung. Das Ungewöhnliche dieser Leistung besteht darin, dass der Mensch die Form seines Wirtschaftens das erste Mal selbst bestimmt. Es sind seine schöpferischen Potenziale, die zu dieser Form der Arbeit führen. Arbeit leitet sich vom lateinischen Wort arvus für Ackerland her und bedeutet das Bebauen des Ackers. Es ist das selbstbestimmte und eigenverantwortliche handeln des Menschen im Rahmen seiner gesellschaftspolitischen Rolle. Arbeit bedeutet aber auch Mühsal, die aufgrund der Befriedigung zusätzlicher Bedürfnisse und der damit verbundenen besonderen Arbeit eintritt.

Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Wandlungen der Arbeit. Unaufhörlich verändert der Mensch Form und Inhalt der Arbeit. Erst das Sammeln und Verspeisen dessen, was als Lebensmittel da ist, dann der Beginn, den Acker zu bestellen, Haus und Tiergehege zu bauen, Werkzeuge und Alltagsgüter herzustellen, um Lebensmittel zu erzeugen.

Mit der Verfeinerung der Produktion werden neue Tätigkeiten erforderlich und es entwickelt sich das Handwerk, aus dem die unterschiedlichen Berufe hervorgehen. Der typische Ort für das Handwerk ist die Stadt. Von da aus breiten sich Handel und Handwerk über weite Regionen aus. Erst viele tausend Jahre später hat der Mensch Können und Wissen so weit ausgebildet, dass er sich vom Handwerk freimacht, indem er Maschinen an seiner Statt arbeiten lässt. Mit der Maschine und der Industrie entstehen neue Berufe, doch das Handwerk geht Schritt für Schritt zurück, da nun Maschinen handgreiflich sind. Da in modernen Gesellschaften immer mehr Maschinen, Automaten und Roboter die Güter herstellen, geht die produktive Tätigkeit des Menschen zurück und er verlegt sich auf Tätigkeiten des Verwaltens und Ordnens, des Bilanzierens und Dienstleistens. Information und Digitalisierung beschleunigen und differenzieren die Produktion und schaffen völlig neue Methoden und Erzeugnisse. Dennoch geht den Menschen nicht die Arbeit aus, sondern es entstehen neue Arbeitsformen und Arbeitswelten. Ein großer Teil der Arbeit besteht heute in außergewöhnlich spezialisierten Berufen oder in Büroarbeit, die fast jedes berufliche Tun begleitet.

In der Berufswelt wechseln heute die Anforderungen so rasch, dass viele Berufe aussterben und Berufe mit völlig neuen Profilen, mit neuen Kenntnissen und Fertigkeiten entstehen, so dass Arbeit heute neu definiert werden muss. Die modernen Gesellschaften sind noch nicht in der Lage, rasch und angemessen auf die wechselnden Anforderungen zu reagieren. Da Bildung und Ausbildung oft hinterherhinken, fehlen in vielen Berufen Fachkräfte und Stellen bleiben unbesetzt. Andererseits haben sich in vielen Sparten ehrenamtliche Helfer etabliert, die einen Teil des Mangels überbrücken. Ein großer Anteil fällt auf die dienstleistenden und pflegenden Berufe. Die ehrenamtliche Tätigkeit wird ohne Lohn verrichtet, und entbehrt oft auch der angemessenen sozialen Anerkennung.

Wer keine Arbeit hat, wird nicht fallen gelassen. Hat er in die Sicherungssysteme eingezahlt, wird er unterstützt, doch auch denjenigen, die nie etwas eingezahlt haben, wird eine Grundversorgung garantiert. Das relativiert den Kampf ums Überleben.

Immer wieder wird der Vorschlag gemacht, jedem Menschen bedingungslos einen monatlichen Grundbetrag zu geben, der über das Existenzminimums hinausgeht. Das böte Möglichkeiten, Interessen zu entwickeln und sich weiterzubilden. Viele sehen die Gefahr, dass lediglich das gegenwärtige Konsumieren fortgesetzt wird.

Andererseits ist nicht für jeden Arbeit alles im Leben. Dazu bedarf es einer sinnfälligen Lebensform, in einer Welt ohne produktive Arbeit. Der monetäre Gewinn müsste einem inneren Gewinn weichen – durch eine neue Art Berufung: Selbstverwirklichung, Anerkennung oder die Erforschung und Realisierung eigener Talente.

1.3 Wirtschaften als Dienen

Dienen ist eine Notwendigkeit des Lebens. Lebewesen müssen aufgezogen und erzogen werden. Jede Geburt wird vorbereitet, damit Nachkommen einen guten Start ins Leben haben. Daher sind Schutz und Pflege grundlegende Verhaltensweisen des Lebens und das Dienen eine so elementare Basis des Lebens wie Kommunizieren und Wirtschaften.

Da Sorge und Pflege eine Form des Dienens den Nachkommen gegenüber ist, um das Leben hervorzubringen und das Überleben zu sichern, ist jedes Leben eng an unterschiedliche Formen des Dienens gebunden. Zwischen den Lebewesen einer Art gibt es vielfältige Weisen des Dienens – wie in der Brutpflege, beim Schutz in Gefahrensituationen, bei Verletzung, Krankheit und der Unterweisung angemessenen Verhaltens.

Von allen Lebewesen ist der Mensch am längsten auf elterlichen Dienst angewiesen, woraus eine besondere Art der Vergesellschaftung entsteht, die das Verhältnis von Dienen und Wirtschaften bestimmt. Der mythische Mensch glaubt, er müsse für das, was er von der Natur erhält, etwas zurückgeben, eine Gegengabe oder ein Opfer leisten, das hergeleitet aus dem lateinischen Wort operari dienen heißt – in der Regel der Dienst für einen Gott.

Die Besonderheit bei den Menschen bezieht sich auf die Weise, wie sie die Beziehung zum anderen gestalten. Wie sie gemeinsam leben und in welchem Verhältnis sie zur Natur und ihren Mächten stehen.

Dienen verweist darauf, dass der Mensch grundsätzlich mit anderen Menschen in der Welt ist. Es verweist auf das Du. Es gibt in der Sprache unzählige direkte und indirekte Worte für das Dienen und weisen auf die Bedeutung des Wortes für die menschliche Kultur hin. Dienen steht für alles, was mit Sorge zu tun hat. Sorge als Fürsorge bedeutet dienen, ebenso die Sorge für jemanden; Familie ist abgeleitet vom lateinischen Wort famulari und heißt dienen; Pflege als Fürsorge; Pflicht als Einstehen für etwas oder für jemanden; Geschenk als Einschenken oder zu trinken geben; Opfer von operari, den Göttern einen Dienst erweisen; Servieren als Dienst, wie es in Sklave (servus) vorkommt; Demut als dienstwillig (dio-muoti), wie es in Gefolgsmann mitgedacht wird; Beraten oder Rat, für jemanden eine Vorsorge treffen; oder Rat als sich geistig etwas zurechtlegen. Diese Bezüge verweisen zugleich auf ein entscheidendes Merkmal des Dienens – seine Sozialität und Gemeinschaftlichkeit.

Da das Denken und Danken, das wirtschaftliche und das dienende Handeln im Verhalten und in ihren regelmäßigen Ritualen und Dankesfesten zum Ausdruck kommen, sind sie Teil der Moral einer Gemeinschaft, denn Moral heißt Sitte und Brauch und bezeichnet lediglich das, was die Menschen einer Gemeinschaft in ihrem Alltag tun. Daher sind Wirtschaften und Dienen über die Moral eng miteinander verbunden. Heute besteht die schwierige Aufgabe darin, Wirtschaften, Arbeiten und Dienen sinnvoll zu gestalten, indem Moral und Sozialität, Vision und Zukunftsplanung zu einer friedfertigen Welt eng zusammengeführt werden.

Fortsetzung folgt ….